Publizist und Journalist, einer der Gründer der Untergrundzeitschrift „Beszélő“, Gründer der Freien Montagsuniversität.

Sándor Szilágyi wurde 1954 in Nyíregyháza geboren. Sein Abitur legte er 1972 in Szeged ab. Im selben Jahr begann er an der Attila-József-Universität Szeged Philologie und Geschichte zu studieren. 1975 zog er gemeinsam mit seiner Mutter nach Budapest, wo er sein Studium an der Loránd-Eötvös-Universität fortsetzte und es 1979 mit Diplom abschloss.

1976 initiierte er gemeinsam mit Gábor Varnai einen Klub für Wissenschaftliche Fragen – als Zeichen des Protestes gegen die ministeriell kontrollierte Lenkung der Absolventen nach ihrem Hochschulabschluss. Ab 1976 beschäftigte sich Szilágyi wissenschaftlich mit Leben und Werk von István Bibó. 1978 traf er sich dann auch mit dem von der Staatsmacht zum Schweigen verurteilten Bibó – gemeinsam mit Miklós Szabó, Mária Kovács und Antal Orkény. Szilágyi gehörte auch zu den Autoren der Bibó-Festschrift (Bibó Emlékkönyv).

1978 wurde auf seine Initiative hin die Freie Montagsuniversität ins Leben gerufen. Im August 1980 weilte Szilágyi als Vertreter der ungarischen Opposition in Warschau und Danzig. Nach der Rückkehr nach Ungarn wurde sein Reisepass eingezogen (ähnlich wurde mit László Rajk, János Kis und Gjörgy Bence verfahren).

Im Dezember 1980 organisierte Szilágyi unter dem Eindruck der Solidarność in der Wohnung von János Kenedi eine Zusammenkunft von Bürgerrechtlern. Thema war die Schaffung einer illegalen Zeitschrift. Die Mehrheit der Versammelten war jedoch der Meinung, es gebe keinen gesellschaftlichen Rückhalt für eine solche Initiative, eine Samisdat-Zeitschrift sei zudem zu elitär und ihr Einfluss beschränke sich nur auf Intellektuellenkreise. Als Reaktion auf dieses Votum beschlossen György Petri, Bálint Nagy und Szilágy, selbst eine unabhängige Zeitschrift zu gründen. Zur Zusammenarbeit eingeladen wurden János Kis, Ferenc Kőszeg, Miklós Haraszti und Gábor Iványi. So entstand die Redaktion der Untergrundzeitschrift „Beszélő“ (Sprecher). 1983 publizierte Szilágyi darin ein Interview mit Sándor Rácz, dem legendären Helden der Ungarischen Revolution von 1956. Dieses Interview war die erste öffentliche Stellungnahme eines in Ungarn lebenden Revolutionsteilnehmers. Es wurde in eine Reihe von Sprachen übersetzt und auch in vielen westlichen Ländern veröffentlicht. Szilágyi war auch der Autor von Interviews mit Andor Kovács, einem im Schweizer Exil wohnenden Teilnehmer an den Revolutionskämpfen in der ungarischen Provinz, und mit Miklós Vásárhelyi, dem ehemaligen Pressesprecher von Imre Nagy.

Von September 1985 bis Mai 1986 war Szilágyi als Stipendiat der Soros-Stiftung an der School for Social Research in New York zu Gast. Gemeinsam mit Ferenc Kőszeg gründete er damals das Samisdat-Archiv. Für ungarische Emigranten veranstaltete er eine Vorlesungsreihe zur Opposition in Ungarn und war an der Redaktion und Herausgabe ausgewählter Schriften von István Bibó in englischer Sprache beteiligt.

Szilágyi war Initiator eines Appells an ostdeutsche, tschechische, polnische und ungarische Intellektuelle, gemeinsam den 30. Jahrestag der Ungarischen Revolution von 1956 zu würdigen. Der Text der fertigen Erklärung (aus der Feder von Gáspár Miklós Tamás) wurde später als „Osteuropäische Unabhängigkeitserklärung“ bekannt. Zu einer erhitzten Debatte führte 1986 eine Rede Szilágyis, die dieser anlässlich der in der Wohnung von Jenő Nagy stattfindenden Gedenkfeierlichkeiten gehalten hatte. Darin hatte er nämlich festgestellt, man müsse zwar dafür sorgen, die Erinnerung an die Ungarische Revolution wachzuhalten, das politische Programm müsse sich jedoch an den aktuellen Erwartungen orientieren. Der Text der Rede wurde in Nr. 19 des „Beszélő“ abgedruckt.

1988 war Szilágyi an der Gründung eines Flüchtlingskomitees beteiligt, dessen Ziel es war, rumänische und ungarische Flüchtlinge aus dem rumänischen Siebenbürgen zu unterstützen. Am 15. Oktober 1988 organisierte er in Budapest aus Anlass des Jahrestages der Arbeiterunruhen im rumänischen Brașov (Kronstadt; Ungarisch: Brassó) eine Demonstration. Obwohl die Polizei versuchte, diese niederzuschlagen, beharrten die Teilnehmer auf ihrem Recht auf friedliche, zuvor angemeldete Demonstrationen.

Szilágyi war auch einer der Organisatoren der Demonstration am 15. März 1989 in Budapest, an der 100.000 Menschen teilnahmen, und der symbolischen Beisetzungsfeierlichkeiten für Imre Nagy am 16. Juni 1989. Es war auch sein Verdienst, dass diese Feierlichkeiten letztlich auf dem Heldenplatz, einem der repräsentativsten Plätze Budapests, stattfanden. Zu der Beisetzung, die zugleich ein politisches Manifest gegen die kommunistische Diktatur war, kamen 250.000 Menschen.

Ende der 80er Jahre erwarb sich Szilágyi zusammen mit György Danis große Verdienste bei der Schaffung von Strukturen des Bundes Freier Demokraten (Szabad Demokraták Szövetsége; SZDSZ) in der ungarischen Provinz.

Nach dem Ende des Kommunismus zog er sich aus der Politik zurück. Anfangs arbeitete er als Budapester Korrespondent für Radio Freies Europa, später als Regisseur von Dokumentarfilmen für das Ungarische Fernsehen. Kurz war er auch für die Redaktion der avantgardistischen Kulturzeitschrift „Magyar Narancs“ (Ungarische Apfelsine) tätig. Seit 1991 beschäftigt er sich hauptsächlich mit Kunstfotografie.

Aus dem Polnischen von Gero Lietz
Letzte Aktualisierung: 01/15