Radikaler Vertreter der Opposition, saß wegen seiner Teilnahme an der Ungarischen Revolution von 1956 lange Zeit im Gefängnis. Initiator zahlreicher oppositioneller Aktivitäten, Chef des Samisdat-Verlages „Magyar Október“, Vorsitzender der 1989 gegründeten Partei gleichen Namens.

György Krassó wurde 1932 in einer Budapester Intellektuellenfamilie geboren. Sein Vater war Rechtsanwalt, arbeitete jedoch nach der Machtübernahme durch die Kommunisten als Lehrer. Seine Mutter war Hausfrau, später Fabrikarbeiterin. Krassó wurde bereits im Alter von 14 Jahren aufgrund einer Sondergenehmigung Mitglied der kommunistischen Partei. Mit 17 Jahren verließ er das Gymnasium, um den Beruf des Drehers zu erlernen, denn er wollte „das wahre Leben der Arbeiter“ kennenlernen. 1951 absolvierte er das Abendgymnasium und begann an der Wirtschaftsuniversität in Budapest zu studieren. Während des Studiums kritisierte er auf Versammlungen die Politik von Staats- und Parteichef Mátyás Rákosi sowie von Stalin. 1952 wurde er aus der Partei ausgeschlossen, im April 1955 folgte die Zwangsexmatrikulation von der Hochschule. Er begann als ungelernter Arbeiter zu arbeiten und verabschiedete sich bereits damals von seinen kommunistischen Überzeugungen.

Während der Ungarischen Revolution 1956 war er bereits in den ersten Tagen der Belagerung des Budapester Rundfunkgebäudes aktiv. Er kämpfte mit der Waffe in der Hand. Gemeinsam mit einigen Kameraden gelang es ihm, einen Vervielfältigungsapparat zu erbeuten, auf dem in der Folgezeit Flugblätter des „Magyar Október“ (Ungarischer Oktober) sowie die Zeitung „Szabadságharc“ (Freiheitskampf) gedruckt wurden. Darin kritisierten die Autoren die unentschlossene Haltung von Imre Nagy und stellten sich ohne Wenn und Aber auf die Seite der Aufständischen. Am 25. Oktober 1956 wurde Krassó vom Staatssicherheitsdienst festgenommen. Er sollte vor ein Sondergericht gestellt werden, da er sich über die Ausgangssperre hinweggesetzt hatte und im Besitz von Waffen war. Schließlich wurde er jedoch am 30. Oktober 1956 nach fünftägigen Verhören und Misshandlungen auf freien Fuß gesetzt. Nach der sowjetischen Invasion am 4. November 1956 gelang es Krassó erneut, ein Kopiergerät zu erbeuten, und rüstete sich gemeinsam mit seinen Freunden zum weiteren Kampf. Sie vervielfältigten und verteilten Flugblätter mit Aufrufen der Arbeiterräte und des Bundes der Literaten. In der Nacht zum 15. November 1956 wurde er erneut festgenommen. Im Juni 1957 wurde er erstinstanzlich zu einer Haftstrafe von sieben Jahren, im Oktober 1956 von einem Gericht zweiter Instanz zu einer Freiheitsstrafe von zehn Jahren verurteilt.

Am 27. März 1963 kam Krassó im Rahmen einer Amnestie frei, da er jedoch in aller Offenheit über seine Erfahrungen aus der Haftzeit berichtete, unter anderem über Hinrichtungen, deren Zeuge er geworden war, wurde er erneut verhaftet. Nach einem halben Jahr in Untersuchungshaft wurde er vor Gericht der Aufwiegelung angeklagt, dann jedoch mangels Beweisen freigesprochen. In der Folgezeit arbeitete Krassó bis zu seiner Invalidisierung in den 70er Jahren als Dreher und als Übersetzer. Mitte der 70er Jahre lernte er die Soziologen István Kemény, Ottilia Solt und Zoltán Zsille kennen, die ihrerseits in Kontakt mit der damals aufkeimenden ungarischen Opposition standen. Zu anderen Bürgerrechtlern, die damals noch marxistischen Denkweisen nahestanden (unter anderen Mikós Haraszti, György Dalos, György Bence, János Kis) unternahm Krassó aus ideologischen Gründen gar nicht erst den Versuch einer Kontaktaufnahme.

Krassó hat sich um die Erinnerung an die Ungarische Revolution von 1956 sehr verdient gemacht, insbesondere in Bezug auf die vielen namenlosen Teilnehmer an den Kämpfen. Neben der 1984 erfolgten Gründung des Verlags „Magyar Október“ war die größte Leistung Krassós die Herausgabe einer kommentierten Übersetzung des berühmten Buches „Hungary 1956“ aus der Feder von Bill Lomax. Krassós Verlag gab auch das „Ungarische Tagebuch“ (Dziennik Węgierski) von Wiktor Woroszylski heraus (übersetzt von Grácia Kerényi, 1984), des Weiteren die gesammelten Schriften von István Bibó sowie die Schrift „Ohne jeden Zwang“ (Minden kényszer nélkül, 1984) von Béla Szász. Die Publikationen aus Krassós Verlag zeichneten sich durch einen für Samisdat-Erzeugnisse ungewöhnlich hohen technischen Standard, eine sorgfältige grafische Gestaltung sowie eine gute Papierqualität aus.

Ein wichtiges Projekt waren Vorlesungsreihen in den Jahren 1981 und 1983 aus Anlass des 25. Jahrestages der Hinrichtung von Imre Nagy. Krassó versorgte außerdem Radio Freies Europa mit Informationen über die Aktivitäten der ungarischen Opposition. Wegen seiner oppositionellen Betätigung wurde er 1984 unter Polizeiaufsicht gestellt. Aufgrund der gegen ihn verhängten Repressionsmaßnahmen beschwerten sich insgesamt 228 Personen beim Generalstaatsanwalt. 1985 besuchte Krassó in London seinen schwerkranken Bruder. Nach dessen Tod beschloss er, in England zu bleiben. Dort gründete er das Büro „M. O.“, dessen Ziel es war, den Westen über die Aktivitäten der ungarischen Opposition zu informieren. Telefonisch gewonnene Informationen leitete er an Radio Freies Europa und andere Nachrichtenagenturen weiter. Im Juni 1989 kehrte er nach Ungarn zurück, um an den Begräbnisfeierlichkeiten für Imre Nagy teilzunehmen. Er kritisierte jedoch die allzu „kompromissbereite“ Haltung von unabhängigen Organisationen, die an den Feierlichkeiten teilnahmen.

Vor den ersten freien Parlamentswahlen 1990 gründete er die radikale Partei „Magyar Október“, der es jedoch nicht gelang, ins Parlament einzuziehen.

Krassó und seine Anhänger genossen breite Anerkennung in den Medien, die ihnen vor allem durch spektakuläre politische Aktionen zuteilwurde, so wie zum Beispiel die Rückbenennung der Budapester Straße Nádor utca, die nach dem Krieg den Namen des Kommunisten Ferenc Münnich erhalten hatte. Schon bald darauf erhielten viele Budapester Straßen ihre alten Namen zurück.

György Krassó starb 1991 in Budapest.

Sándor Szilágyi
Aus dem Polnischen von Gero Lietz
Letzte Aktualisierung: 05/15