Tomáš Hradílek wurde 1945 im mährischen Lipník nad Bečvou als Sohn eines Finanzbeamten geboren. Er studierte Zootechnik an der Hochschule für Landwirtschaft in Brünn (Brno) und arbeitete außerdem als Assistent am Lehrstuhl für Genetik. In der Überzeugung, Einfluss auf die politische Entwicklung nehmen zu können, trat er der Kommunistischen Partei bei. Im Sommer 1967 begann er einen einjährigen Militärdienst und war auch zur Zeit des Einmarsches von Truppen des Warschauer Pakts in die Tschechoslowakei noch zwei Wochen beim Militär.

Hradílek setzte sich aktiv für den Reformprozess ein. Auf einem Parteiaktivistentreffen im April 1969 äußerte er offene Kritik, woraufhin er gezwungen wurde, seine Arbeit als Zootechniker in einem staatlichen Landwirtschaftsbetrieb aufzugeben. Im August 1969 beantragte Hradílek die Aufhebung seiner Parteimitgliedschaft. Ab Dezember 1969 arbeitete er in einer Produktionsgenossenschaft in Lipník. Aufgrund seiner angeblichen antisowjetischen und antisozialistischen Ansichten verlor er dort seinen Leitungsposten und arbeitete forthin als Sachbearbeiter im Verkauf. Im Herbst 1976 verweigerte Hradílek gemeinsam mit seiner Frau demonstrativ die Beteiligung an den Wahlen. Nach Gründung der Charta 77 entschied er sich, deren Erklärung zu unterzeichnen. Unter Druck des Sicherheitsdienstes wurde er kurz darauf von seiner Arbeit entlassen und blieb bis 1990 Arbeiter in einem Sägewerk der Nordmährischen Holzfabriken. Nach Unterzeichnung der Erklärung der Charta 77 knüpfte Hradílek Kontakte zu anderen Unterzeichnern. 1979 wurde er Mitarbeiter des Komitees zur Verteidigung der zu Unrecht Verfolgten (Výbor na obranu nespravedlivě stíhaných; VONS) und zwei Jahre später Mitglied der Sprechergruppe der Charta 77.

Ende der 70er und in der ersten Hälfte der 80er Jahre lebte Hradílek unter ständiger Bewachung durch die Staatssicherheit, war jedoch keiner schwereren Verfolgung ausgesetzt. Im März 1987 forderte er gemeinsam mit Rudolf Bereza in einem offenen Brief den Rücktritt von Präsident Gustáv Husák. Dieser Brief löste ein großes Echo aus und trug deutlich dazu bei, dass sich oppositionelle Initiativen über den Kreis der traditionellen Zentren in Prag und Brünn hinaus ausdehnten. Auf der Parade zum 1. Mai 1987 in Olomouc (Olmütz) entfalteten Tomáš Hradílek und Rudolf Bereza vor der Haupttribüne ein Transparent mit der Losung „Charta 77 appelliert an die Zivilcourage“. Zusammen mit dem Fotografen Michal Mrtvý wurde Hradílek für einige Tage inhaftiert und im Sommer 1987 zu einer Geldstrafe verurteilt.

Im Herbst 1987 gründete er mit anderen die „Vereinigung der Freunde der USA“. Im Juni des darauffolgenden Jahres erstattete er gemeinsam mit Rudolf Bereza Strafanzeige wegen Staatsverrates gegen Vasiľ Biľak, einem Mitglied der kommunistischen Parteiführung, der im Sommer 1968 zum Einmarsch sowjetischer Truppen in die Tschechoslowakei aufgerufen hatte. Diese Strafanzeige rief eine starke Resonanz hervor und wurde nicht nur in Oppositionskreisen intensiv diskutiert. Hradílek nahm auch an den Treffen mit der polnischen Opposition teil und beteiligte sich 1988 an der Gründung der Bewegung für Bürgerfreiheit (Hnutí za občanskou svobodu; HOS). Im Januar 1989 übernahm er zusammen mit Dana Němcová und Saša Vondra die Funktion des Sprechers der Charta 77. Noch im gleichen Jahr wurde er wegen „Aufwiegelung zum Aufstand“ zu 13 Monaten Haft mit zweijähriger Bewährung verurteilt.

Während der Samtenen Revolution war Hradílek Sprecher des Bürgerforums (Občanské fórum; OF) in Ostrava und Mitglied in dessen Koordinierungszentrum. Ende Dezember 1989 kam er durch Nachwahlen als Abgeordneter in die Föderalversammlung, das tschechoslowakische Parlament. Bei den ersten freien Wahlen im Juni 1990 wurde er erneut in die Föderalversammlung gewählt und behielt sein Mandat bis zu den nächsten Wahlen im Juni 1992. Im Juli 1990 wurde Hradílek kurzzeitig Innenminister des tschechischen Teilstaates in der Regierung von Petr Pithart. Nach vier Monaten gab er dieses Amt jedoch auf und zog sich aus dem politischen Leben zurück. Heute lebt er wieder in seiner Geburtsstadt Lipník nad Bečvou.

Petr Pospíchal
Aus dem Polnischen von Tim Bohse
Letzte Aktualisierung: 06/15