Philosoph, Ideenhistoriker, politischer Publizist, Professor der Universität Warschau; Teilnehmer des März 1968, ab 1979 Chefredakteur der Zeitschrift „Res Publica“.

Marcin Król wurde 1944 in Warschau geboren. Als Doktorand an der Historischen Fakultät der Universität Warschau unterhielt er in der zweiten Hälfte der 60er Jahre Kontakt zu den sogenannten „Kommandeuren“, einer Gruppe unabhängiger junger Menschen, die sich um Jacek Kuroń und Karol Modzelewski scharten. Król nahm zusammen mit Jadwiga Staniszkis, Jakub Karpiński, Aleksander Smolar und anderen an den unabhängigen Seminaren von Assistenten der Warschauer Universität teil. Im März 1968 gab er dem Warschauer Korrespondenten der französischen Tageszeitung „Le Monde“, Bernard Margueritte, den Inhalt von Andrzej Mencwels Bericht über eine Versammlung des Polnischen Schriftstellerverbandes wieder, auf dem über das Verbot des Stücks „Totenfeier“ (Dziady) von Adam Mickiewicz in der Regie von Kazimierz Dejmek am Nationaltheater diskutiert worden war. Auf diese Weise erfuhr die westliche Öffentlichkeit von den Protesten polnischer Schriftsteller gegen die Zensur, die Kulturpolitik der kommunistischen Machthaber und das Aufbrechen antisemitischer Tendenzen in Polen.

Am 8. März 1968 nahm Król an einer Protestversammlung auf dem Campus der Warschauer Universität teil und war Mitglied der Delegation, die vom Rektor den Rückzug der Miliz vom Campus sowie die Freilassung der verhafteten Studenten forderte. Gemeinsam mit Jakub Karpiński arbeitete er eine Resolution aus, die am 11. März auf einer Folgeversammlung verlesen werden sollte. Die Resolution formulierte unter anderem den Vorschlag, studentische Komitees in den Fakultäten sowie auf zwischenuniversitärer Ebene zu bilden, und enthielt eine „Erklärung der didaktischen und wissenschaftlichen Mitarbeiter der Philosophischen Fakultät der Universität Warschau“, die die Forderungen der Studenten unterstützte und die Angriffe der Miliz auf Studenten und wissenschaftliche Mitarbeiter genauso verurteilte wie die Desinformationskampagnen der Presse und das Aufwiegeln antisemitischer Stimmungen. Król war auch einer der Autoren der „Deklaration der Studentenbewegung“ (Deklaracja ruchu studenckiego), die als das wichtigste Dokument des Märzes 1968 gilt. Neben hochschulspezifischen Forderungen wie die Gründung einer neuen Jugendorganisation stellte die Deklaration auch allgemeinpolitische Postulate auf, die die Aufhebung der Zensur, ökonomische Reformen zur Steigerung der Effektivität und der Eigenverantwortung in der Wirtschaft, die Unabhängigkeit der Justiz, die Schaffung eines Verfassungsgerichtes und unabhängiger Gewerkschaften betrafen. Am 10. April 1968 wurde Król verhaftet und für drei Monate ins Gefängnis gesteckt.

1972–77 war er wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Polnischen Akademie der Wissenschaften. Gemeinsam mit Małgorzata Dziewulska übersetzte er Tocquevilles Werk „Über die Demokratie in Amerika“ (erschienen 1976).

1975 unterschrieb Król den Brief der 59 vom 5. Dezember an den Sejm, in dem die geplanten Verfassungsänderungen kritisiert und die politische Zielstellung der Opposition vorgestellt wurde. Er publizierte in Exilzeitschriften – in der Pariser „Kultura“ (Kultur) und dem Londoner „Aneks“ (Anhang) – sowie in der Samisdat-Zeitschrift „Zapis“ (Aufzeichnung). Im September 1978 trat er der Gesellschaft für Wissenschaftliche Kurse (Towarzystwo Kursów Naukowych; TKN) bei, wo er Vorlesungen und Seminare zum polnischen konservativen Denken im 19. Jahrhundert, zu den politischen Traditionen der Oppositionsverlage nach 1976 und zum polnischen Denken im 20. Jahrhundert sowie ein Doktorandenstudium (unter anderem für Aleksander Hall) abhielt.

Krzysztof Burnetko
Aus dem Polnischen von Markus Pieper und Wolfgang Templin
Letzte Aktualisierung: 01/24