Soziologe, Philosoph, Historiker; verurteilt im sogenannten „Bergsteiger-Prozess“; Mitglied der Redaktion der unabhängigen Zeitschrift „Głos; Mitbegründer des Committee in Support of Solidarity und des Institute for Democracy in Eastern Europe; Pseudonyme: „Marek Tarniewski“, „Jan Nowicki“.

Jakub Karpiński wurde 1940 in Warschau geboren. 1958–64 studierte er an der Warschauer Universität Philosophie und Soziologie und war Vorsitzender des Wissenschaftskreises der Soziologiestudenten. Zur gleichen Zeit nahm er an Treffen bei Maria und Stanisław Ossowski teil, bei denen Ideen von unabhängigem Denken und gesellschaftlicher Selbstverwaltung diskutiert wurden, und besuchte Veranstaltungen des Klubs des Krummen Kreises (Klub Krzywego Koła; KKK). 1964 wurde er Assistent an der Philosophischen Fakultät der Warschauer Universität. In der zweiten Hälfte der 60er Jahre nahm er an Treffen von wissenschaftlichen Assistenten verschiedener Warschauer Hochschulen teil, die dem kommunistischen System kritisch gegenüberstanden (dabei waren unter anderen Tomasz Burek, Jan Kofman, Marcin Król, Waldemar Kuczyński, Andrzej Mencwel, Aleksander Smolar, Jadwiga Staniszkis). Auf einer Studentenversammlung 1967 bezog er kritisch Stellung zum „Offenen Brief an die Mitglieder der Partei“ (List otwarty do członków PZPR) von Jacek Kuroń und Karol Modzelewski, dem er einen trotzkistischen Ansatz unterstellte.

Als während der Studentenproteste im Februar 1968 an der Warschauer Universität geradezu ein „Flugblattkrieg“ tobte, reagierte Karpiński auf Verunglimpfungen der Studenten mit dem Flugblatt „Seltsame Poeten“ (Dziwni poeci). Am 4. März fiel in seiner Wohnung die Entscheidung, am 8. März auf dem Universitätscampus eine Solidaritätskundgebung für die verfolgten und relegierten Studenten Adam Michnik und Henryk Szlajfer zu organisieren. Bis Ende März 1968 war Karpiński Koautor von Resolutionen, die auf studentischen Protestkundgebungen verabschiedet wurden, darunter die am 11. März beschlossene Verurteilung der Milizübergriffe auf Studenten. Gemeinsam mit Andrzej Mencwel und Jadwiga Staniszkis verfasste er die „Deklaration der Studentenbewegung“ (Deklaracja ruchu studenckiego), die am 28. März auf der letzten Kundgebung in der Universität beschlossen wurde.

Am 9. Mai 1968 wurde Karpiński unter dem Vorwurf, illegale Veranstaltungen an den Warschauer Hochschulen organisiert zu haben, verhaftet. Als er im Gefängnis in der Rakowiecka-Straße verhört wurde, verweigerte er jede Aussage. Nach seiner Freilassung im September 1968, wurden ihm die Rechte eines Universitätsmitarbeiters entzogen.

In den folgenden Monaten beteiligte sich Karpiński daran, Informationen über den März 1968 in den Westen zu bringen. Dort wurden sie vom Literarischen Institut (Instytut Literacki) in Paris in den Bänden „Die Märzereignisse“ (Wydarzenia marcowe) und „Polnischer Vorfrühling“ (Polskie przedwiośnie) herausgegeben. In der Pariser „Kultura“ veröffentlichte er anonym eine Analyse der März-Ereignisse unter dem Titel „Es ging nicht um Egalitarismus“ (Nie o egalitaryzm chodziło). Außerdem schrieb er über das politische System der Volksrepublik Polen, was Grundlage des Buches „Evolution oder Revolution“ (Ewolucja czy rewolucja) wurde.

Am 31. Mai 1969 wurde Karpiński erneut verhaftet und im Dezember angeklagt, in Kontakt mit Personen des von Jerzy Giedroyc geleiteten Literarischen Instituts in Paris zu stehen. Diese Einrichtung würde, so die Anklage, durch Herabwürdigung des politischen Systems und der führenden Organe der Volksrepublik die Interessen des polnischen Staates gefährden. Im sogenannten „Bergsteiger-Prozess“ stand er gemeinsam mit Maciej Kozłowski, Małgorzata Szpakowska, Krzysztof Szymborski und Maria Tworkowska vor Gericht und wurde am 24. Februar 1970 zu vier Jahren Freiheitsentzug verurteilt. Durch eine Amnestie verringerte sich das Urteil auf zwei Jahre und acht Monate. Während seiner Haftzeit im oberschlesischen Strzelec Opolski arbeitete Karpiński im gefängniseigenen Betrieb für Pelzwaren. Am 19. Juni 1971 wurde er auf Bewährung entlassen.

Błażej Brzostek
Aus dem Polnischen von Markus Pieper und Wolfgang Templin
Letzte Aktualisierung: 11/15