Ökonom, Bausoldat, Kritiker der Verhältnisse in der DDR, politischer Gefangener nach Protesten gegen den Einmarsch von Truppen des Warschauer Paktes in die Tschechoslowakei. Eisenfeld sah sich nicht als Opfer, obwohl er viele Repressionen erfuhr, sondern als Handelnder, der in seinem beharrlichen Eintreten für Menschenrechte versuchte, legale Möglichkeiten auszuschöpfen. Er ist ein Beispiel dafür, dass sich auch ein einzelner Mensch mutig gegen die totalitäre Verfügungsgewalt wehren und sich dieser bedingt auch entziehen konnte.

Bernd Eisenfeld wurde am 9. Januar 1941 gemeinsam mit seinem Zwillingsbruder Peter in Falkenstein/Vogtland geboren. Er hatte noch zwei ältere Brüder und eine jüngere Schwester. Sein Vater kam im Sommer 1945 aus amerikanischer Kriegsgefangenschaft nach Hause und wurde von den Russen anschließend bis 1948 im Internierungslager Mühlberg gefangen gehalten, sodass Eisenfeld vor allem von seiner Mutter und seinem ältesten Bruder erzogen wurde.

Nach einer dreijährigen Lehre zum Bankkaufmann, die er 1958 erfolgreich abschloss, studierte er 1959–61 Finanzwirtschaft an der Fachschule für Finanzwirtschaft Gotha. In seinem Elternhaus wurde Eisenfeld dazu angehalten, „mitzumachen“ und Kritik nicht öffentlich zu artikulieren. Prägend für ihn waren dennoch der Volksaufstand vom 17. Juni 1953 sowie die Verhinderung von Reisen seines Schachvereins in die Bundesrepublik. Diese Reisen nach Westdeutschland wurden mit dem Argument untersagt, man wolle keine Gelder vom „Kaiser-Ministerium“ annehmen – gemeint war das Bundesministerium für Gesamtdeutsche Fragen, das in der SED-Propaganda nach dem ersten Minister Jakob Kaiser so genannt wurde. Diese Erfahrungen sowie der Bau der Mauer 1961 erzeugten bei Eisenfeld eine offene Ablehnung der SED-Herrschaft. Ab 1964 wandte er sich mit seiner Kritik und seinem Protest mittels Briefen an in- und ausländische Stellen. Mit seinen Schreiben sprach er sich gegen die Mauer und die Teilung Deutschlands aus und forderte demokratische Verhältnisse in der DDR. Aufgrund dieses Engagements wurde er nicht zum Fernstudium zugelassen.

1966/67 leistete Eisenfeld seinen waffenlosen Dienst als Bausoldat in der Nationalen Volksarmee (NVA) ab. Er weigerte sich, das Gelöbnis für Bausoldaten abzulegen und verfasste außerdem Kollektiv- und Einzeleingaben, weshalb er von der Staatssicherheit zusammen mit drei anderen Bausoldaten im Operativen Vorgang (OV) „Zersetzung“ verfolgt wurde. Nach Beendigung der Armeezeit 1967 wurde er mit einem Berufsverbot bei der Staatsbank belegt, wo er seit 1961 als Ökonom tätig gewesen war.

Eisenfeld, der von einem nichtkirchlichen, marxistisch orientierten Hintergrund aus argumentierte, sah im jugoslawischen Selbstverwaltungsmodell eine Alternative zum sowjetkommunistischen System der DDR. Er war von Anfang an ein glühender Anhänger des Prager Frühlings und hielt eine Symbiose von Demokratie und Sozialismus für möglich. Da er dies auch für die DDR forderte, verfolgte ihn die Staatssicherheit ab Frühjahr 1968 im OV „Ökonom“ wegen angeblicher „staatsfeindlicher Hetze“. Zudem bezichtigte man ihn, mit seinen Brüdern, dem Maler Ulrich und dem Geologen Peter, eine „staatsfeindliche Gruppe“ gebildet zu haben. Beide Brüder wurden ebenfalls in verschiedenen Operativen Vorgängen des Ministeriums für Staatssicherheit (MfS) verfolgt und drangsaliert.

Aus Protest gegen den Einmarsch von Truppen des Warschauer Paktes in die Tschechoslowakei am 21. August 1968 verteilte Eisenfeld am 20. und 21. September 1968 in Halle etwa 100 selbstgefertigte Flugblätter („Denkt bitte nach! Bitte schweigt nicht!“), auf denen er sich mit einem Zitat von Lenin gegen die Invasion aussprach und den Einmarsch als Bruch des Völkerrechts scharf attackierte. An die tschechoslowakische Botschaft schrieb er in einem Telegramm „Halten Sie stand – Behalten Sie Hoffnung. Bernd Eisenfeld.“ Bereits am zweiten Tag seiner Flugblattaktion wurde er von Sicherheitskräften verhaftet und im Februar 1969 zu zweieinhalb Jahren Gefängnis verurteilt worden. Er saß die volle Zeit in verschiedenen Gefängnissen ab, darunter die längste Zeit in der berüchtigten Haftvollzugsanstalt Bautzen I, wo er als politischer Häftling mit fünf Kriminellen in eine Zelle gesperrt wurde.

Auch während seiner Haftzeit wurde Eisenfeld bespitzelt und als „lernunwillig“ eingestuft. Schon im Gefängnis hatte er sich bemüht, eine Ausreise in den Westen zu erreichen, was aber nicht gelang. Als er am 18. März 1971 entlassen wurde, erfuhr er, dass seine Lebensgefährtin nicht nur ihre Arbeit als Sekretärin verloren hatte, sondern vom MfS unter Druck gesetzt worden war, ihn mit den beiden gemeinsamen Kindern zu verlassen. Letzteres blieb allerdings erfolglos.

Eisenfeld kehrte an seinen alten Arbeitsplatz im Chemieingenieurbau Leipzig zurück, wo er als Finanzökonom arbeitete. Sein Arbeitgeber hatte sich nicht dem Ansinnen der Staatssicherheit gebeugt, Eisenfeld zu entlassen. Das MfS verfolgte ihn sofort wieder in einer „Operativen Personenkontrolle“ (OPK) sowie ab 1974 im OV „Bank“. Eisenfeld erneuerte unter Berufung auf UNO-Grundrechte sowie ab 1975 mit Verweis auf die KSZE-Schlussakte von Helsinki jährlich zweimal seinen Ausreiseantrag in die Bundesrepublik. Außerdem dokumentierte er seinen Fall und ließ die Unterlagen 1972 den Vereinten Nationen zukommen. Er engagierte sich in der Bausoldatenbewegung, zu deren Initiatoren er zählte, sowie im ökumenischen Friedenskreis Halle. Sein Ziel war es, seine Gesellschaftskritik in die Gesellschaft zu tragen und damit nicht in kleinen Zirkeln zu verharren. Nicht zuletzt stand er für die deutsche Einheit ein, wobei er nicht die antikapitalistische Grundhaltung etwa von #Robert Havemann oder #Wolf Biermann teilte. Im Gegensatz zur linken Opposition in Ost und West bekannte er sich zur westlichen Demokratie auf der Grundlage bürgerlicher Freiheiten und Grundrechte.

Im August 1975, kurz nach Verabschiedung der KSZE-Schlussakte, konnte Eisenfeld nach West-Berlin übersiedeln. Hier arbeitete er freiberuflich in der politischen Bildung und ab 1985 im Gesamtdeutschen Institut Berlin/Bonn. Publizistisch beschäftigte er sich weiterhin mit der DDR. 1978 legte er mit „Kriegsdienstverweigerung in der DDR. Ein Friedensdienst?“ ein vielbeachtetes Buch vor. Das MfS verfolgte ihn als „Staatsfeind“ auch im Westen, so im OV „Erz“, der seinem Bruder Peter galt, welcher sich aktiv an der oppositionellen Menschenrechtsdebatte in der DDR beteiligte und 1987 ebenfalls nach West-Berlin übersiedelte. Außerdem verfolgte die Staatssicherheit Eisenfeld im OV „Polyp“, weil er Pressesprecher und Vorsitzender des „Verbandes ehemaliger DDR-Bürger“ in West-Berlin war. Er war auch nach seiner Übersiedlung von Zersetzungsmaßnahmen durch das MfS betroffen. So verbreitete die Staatssicherheit zielgerichtet das Gerücht, Eisenfeld sei ihr Mitarbeiter. Dies führte dazu, dass er jahrelang keine feste Anstellung in West-Berlin erhielt.

Von 1992 bis 2005 war Eisenfeld als wissenschaftlicher Mitarbeiter und Sachgebietsleiter in der Forschungsabteilung bei der Stasi-Unterlagen-Behörde tätig, wo er sich mit der Geschichte von Opposition und Widerstand in der DDR beschäftigte und zahlreiche Publikationen vorlegte. Bernd Eisenfeld starb 2010 in Berlin.

Ilko-Sascha Kowalczuk
Letzte Aktualisierung: 08/16