Historiker und Philologe, Teilnehmer an der Ungarischen Revolution von 1956, Gründer der Freien Montagsuniversität.

Miklós Szabó wurde 1935 in Budapest geboren. Während der Ungarischen Revolution von 1956 studierte er Geschichte und ungarische Philologie an der Loránd-Eötvös-Universität Budapest. Er war in der Leitung der revolutionären Jugendbewegung aktiv. Nach der blutigen Niederschlagung der Revolution hatte Szabó als ehemaliger Revolutionsteilnehmer nach seinem Universitätsabschluss keine Chance auf eine berufliche Karriere und arbeitete zunächst als Pädagoge an einer Berufsschule in Vác. Ab 1959 war er Bibliothekar im Historischen Institut der Ungarischen Akademie der Wissenschaften und wurde erst 1967 zum wissenschaftlichen Mitarbeiter ernannt.

Szabó gehörte zu den wenigen Vertretern der demokratischen Opposition, für die das Erbe der Revolution von 1956 zu einer Quelle der intellektuellen Inspiration wurde. Lange Zeit äußerte er über legale Kanäle seine kritischen Ansichten und tat viel, um die Erinnerung der Gesellschaft an die Revolutionskämpfe wachzuhalten. In den 70er Jahren veranstaltete er in seiner Wohnung eine illegale Vorlesungsreihe. 1978 war er der Initiator der Freien Montagsuniversität. Als die Ungarische Akademie der Wissenschaften ihm mit Kündigung drohte, übergab er die Leitung der Freien Montagsuniversität an Sándor Szilágyi. Eine geplante Vorlesungsreihe zur Geschichte der kommunistischen Parteien in Ungarn und der Sowjetunion übernahmen seine Kollegen Péter Hanák und Tibor Hajdú. Ende der 70er Jahre war er an den Redaktionsarbeiten für die Bibó-Festschrift (Bibó Emlékkönyv) beteiligt, die damals gerade für den Druck vorbereitet wurde. In der Untergrundzeitschrift „Beszélő“ (Sprecher) publizierte er Aussagen von einer Reihe von Festschrift-Autoren, die „nicht dem Stalinismus das Wort redeten, aber zugleich Distanz zu den antidemokratischen Positionen der Rechten“ wahrten.

Szabó strebte nach einer Verständigung zwischen verschiedenen oppositionellen Gruppierungen, die auch unterschiedliche politische Richtungen vertraten (die unmittelbar mit dem Kämpfen von 1956 verbundene Fraktion, Gruppierungen mit Bauern- und Agrarinteressen, ehemalige Mitglieder von Bauernparteien, religiöse Gemeinschaften).

In den 80er Jahren hielt er Vorlesungen in den sogenannten Klubs (Klub-Bewegung). In der Presse äußerte er sich – unter Pseudonym – kritisch zur ungarischen Wirklichkeit. 1983 schrieb er: „Obwohl die ungarische Opposition ein Phänomen subkulturellen Charakters ist, stellt sie ein wesentlicheres Element der ungarischen Wirklichkeit dar, als viele ihrer Vertreter, ja sogar ihre Feinde meinen.“ An anderer Stelle schrieb er: „Kádárs Ungarn war das einzige Land im Sowjetblock, in dem offiziell der Nationalismus nicht Fuß fasste. Die Revolution von 1956 war so sehr mit der Idee der nationalen Freiheit verbunden, dass die Staatsmacht in der Folge mit aller Macht versuchte, diese Idee rücksichtslos zu vernichten; zwanzig Jahre lang versuchte man, jegliche national-patriotischen Ideen aus der ungarischen politischen Kultur zu tilgen. Natürlich vergeblich.“ Er verwies darauf, dass in Ungarn ein demokratischer Nationalismus keine historischen Traditionen habe; nationalistisches Denken könne daher seine Wurzeln nur in dem rechtsgerichteten Nationalismus der Zwischenkriegszeit suchen.

Als 1988 Vertreter der regierenden Parteiführung mit Losungen aus der rechten Ideologie den Schulterschluss (einen „heiligen Bund“) mit dem von Bauerninteressen geleiteten sogenannten Volkslager suchten, kritisierte Szabó dieses Phänomen nicht nur als Sprecher einer konkurrierenden politischen Kraft (dem Netz Freier Initiativen), sondern auch als Historiker.

Im Herbst 1987 fand das Treffen in Lakitelek statt, das Ungarische Demokratische Forum (Magyar Demokrata Forum; MDF) entstand. Damit kam es zum Bruch innerhalb der ungarischen Opposition. Die Gründung des Netzes Freier Initiativen im Frühjahr 1988 war ein letzter, missglückter Versuch, die oppositionelle „Volksfront“ zu retten. Im Herbst desselben Jahres wurde aus dem Netzwerk die Partei Bund Freier Demokraten (Szabad Demokraták Szövetsége; SZDSZ). Szabó spielte in all diesen Initiativen eine wesentliche Rolle. Er war Pressesprecher des Netzwerkes und dann im Weiteren Mitglied im Landesrat des Bundes Freier Demokraten, an dessen programmatischer Arbeit er aktiv beteiligt war.

Nach dem Ende des Kommunismus war er in den Jahren 1990–98 für den Bund Freier Demokraten Abgeordneter im ungarischen Parlament. Ab 1998 arbeitete er als wissenschaftlicher Mitarbeiter im Budapester Archiv.

Miklós Szabó starb 2000 in Budapest.

András Pályi
Aus dem Polnischen von Gero Lietz
Letzte Aktualisierung: 06/15