Philosoph, Mathematiker und christlich-demokratischer Politiker. Mitbegründer und Sprecher des Komitees zur Verteidigung der zu Unrecht Verfolgten und Autor des Konzeptes „Parallel-Polis“ für eine alternative Gesellschaft.

Václav Benda wurde in Prag geboren. Nach Abschluss des Gymnasiums im Jahr 1964 begann er ein Studium der Bohemistik und Philosophie an der Prager Karls-Universität. 1968 war er in der Studentenbewegung aktiv, Vorsitzender des Studentenrats an der philosophischen Fakultät sowie Gründer des Klubs der katholischen Jugend. 1970 promivierte er mit einer Arbeit über den Schriftsteller und Philosophen Ladislav Klíma. Václav Benda studierte außerdem an der Fakultät für Mathematik und Physik der Karls-Universität, wo er einen Abschluss in theoretischer Kybernetik machte und zeitgleich als Assistent arbeitete. Der Betreuer seiner Diplomarbeit war Ivan Havel, der Bruder von Václav Havel, durch den Benda zahlreiche Kontakte in das damals sehr verstreute oppositionelle Umfeld knüpfen konnte. Seit Anfang der 70er Jahre traf er sich mit katholischen Aktivisten, die sich nicht mit der so genannten „Normalisierung“ abfinden wollten und für eine Ausweitung der bürgerlichen und religiösen Freiheiten eintraten.

Nach Abschluss des Studiums arbeitete Benda als Programmierer am Forschungsinstitut des Eisenbahnwesens und von Ende 1976 bis September 1977 am Forschungsinstitut für Rechenmaschinen.

1976 beteiligte sich Benda an Diskussionen, die zur Entstehung der Charta 77 führten. Nach der Veröffentlichung der Erklärung der Charta 77 war er einer ihrer engagiertesten Aktivisten und Menschenrechtstheoretiker. In seinem programmatischen Artikel „Parallel-Polis“ schrieb Benda über den Aufbau von zivilgesellschaftlichen Strukturen auf allen Ebenen, die von der totalitären Staatsmacht unabhängig und wenigstens zum Teil in der Lage sein sollten, vernünftige und für das Gemeinwohl notwendige Funktionen zu erfüllen. Gleichzeitig schlug er vor, im Rahmen des Möglichen bereits bestehende Strukturen zu nutzen und diese zu „humanisieren“. Als Vorbild für den Aufbau alternativer Strukturen zum Beispiel im Bildungs-, Wissenschafts- und Mediensystem sowie in der Ökonomie nannte Benda die bereits bestehende Gegenkultur. Er äußerte die Hoffnung, dass „selbst ein Teilerfolg des besagten Plans auf die offiziellen Strukturen Druck ausübt, unter dem sie entweder zerfallen oder sich vorteilhaft erneuern müssten.“

Václav Benda veröffentlichte viele Texte in Samisdat-Zeitschriften. Nach der Unterzeichnung der Charta 77 verlor er seine Arbeit am Forschungsinstitut für Rechenmaschinen und verdiente seinen Lebensunterhalt fortan als Heizer. Im April 1977 gehörte er zu den Mitbegründern des Komitees zur Verteidigung der zu Unrecht Verfolgten (Výbor na obranu nespravedlivě stíhaných; VONS). Am 1. Februar 1979 wurde er zusammen mit Jiří Dienstbier und Zdena Tominová zum Sprecher der Charta 77 ernannt. Im Mai desselben Jahres wurde Benda gemeinsam mit neun anderen Mitgliedern des Komitees zur Verteidigung der zu Unrecht Verfolgten verhaftet und wegen „staatsfeindlicher Tätigkeiten“ angeklagt. Er wurde zu vier Jahren Haft verurteilt, saß die Strafe bis zum letzten Tag ab und verließ das Gefängnis am 29. Mai 1983. Sofort nach der Freilassung beteiligte sich Benda erneut an den Aktivitäten der Charta 77 und des Komitees zur Verteidigung der zu Unrecht Verfolgten. Vom 1. Januar 1984 bis Anfang 1985 war er erneut gemeinsam mit Jiří Ruml und Jana Šternová Sprecher der Charta 77. In dieser Periode übte Benda einen beträchtlich Einfluss auf die Aktivitäten der Charta 77 aus, die wegen der Verhaftung oder Emigration vieler ihrer Unterzeichner geschwächt war. Benda war maßgeblich daran beteiligt, dass die politischen Diskussionen innerhalb der Charta 77 intensiviert wurden. So betonte er immer wieder, dass Prioritäten deutlich zum Ausdruck gebracht werden müssten, um im Rahmen der „Parallel-Polis“ – so bezeichnete er die Kreise der Gegner der kommunistischen Diktatur – einen alternativen politischen Raum zu schaffen.

Václav Benda war darüber hinaus auch in der katholischen Kirche engagiert und erlangte dort hohes Ansehen. Er nahm oft eine scharfe, kompromisslose Haltung ein und verlangte, dass sich Christen für diejenigen einsetzen sollten, die vom kommunistischen Regime verfolgt würden, statt sich mit dessen Existenz abzufinden. Benda unterhielt zahlreiche Kontakte zu engagierten Christen in der Tschechoslowakei und im Ausland sowie zu dem Teil des katholischen Klerus, der unmittelbar vor dem Fall des Regimes eine Zusammenarbeit mit den Kommunisten ablehnte.

Ab 1985 gab Benda die unabhängige christliche Zeitschrift „Paraf“ heraus. Neben Artikeln und Essays schrieb er philosophische und literarische Texte, Kinderbücher sowie mathematische und kybernetische Arbeiten.

1988 gehörte er zu den Verfassern des Manifestes „Demokratie für alle“ (Demokracie pro všechny), das eine wesentliche Rolle für die Formulierung der politischen Ziele der damaligen politischen Opposition spielte. Das Manifest markierte den Beginn der Bewegung für Bürgerfreiheit (Hnutí za občanskou svobodu; HOS). Im November 1989 war Benda an der Gründung des Bürgerforums (Občanské fórum; OF) beteiligt und wurde Mitglied in dessen Vorstand. Seine Söhne Marek und Martin gehörten zu einer Gruppe, die die Studentendemonstration am 17. November 1989 vorbereitete. Im selben Monat gründete er die Christlich-Demokratische Partei und wurde deren Vorsitzender. Anfänglich war die Partei noch im Rahmen des Bürgerforums aktiv, aus dem sie jedoch im März 1990 austrat und sich im Bündnis mit der Tschechoslowakischen Volkspartei an den ersten freien Parlamentswahlen im Juni 1990 beteiligte.

Im Dezember 1989 wurde Benda durch Nachwahlen Abgeordneter der Föderalversammlung, des Tschechoslowakischen Parlaments. In den freien Wahlen 1990 erhielt er ein erneutes Mandat für eine zweijährige Amtszeit. 1990–92 war er Präsidiumsmitglied und anschließend stellvertretender Vorsitzender der Föderalversammlung, die sich mit dem Zerfall der Tschechoslowakei am 31.12.1992 auflöste. 1994–96 war Václav Benda Direktor der Behörde für die Dokumentation und Untersuchung der Verbrechen des Kommunismus (Úřad dokumentace a vyšetřování zločinů komunismu; ÚDV). Im November 1996 erhielt er ein Mandat im Oberhaus des Tschechischen Parlamentes, dem Senat.

Václav Benda starb 1999 in Prag nach langer und schwerer Krankheit.

Petr Pospíchal
Aus dem Polnischen von Tim Bohse
Letzte Aktualisierung: 06/15