Autorin und Verbreiterin des Samisdat, Mitgründerin und Vorsitzende der Estnischen Nationalen Partei der Unabhängigkeit.

Lagle Parek wurde 1941 in Pärnu (Pernau) geboren. Ihr Vater Karl Parek war Hauptmann der estnischen Armee und wurde im gleichen Jahr vom NKWD erschossen. Im März 1949 wurde ihre Familie in den Oblast Nowosibirsk deportiert. Erst 1954 erhielt sie die Erlaubnis, nach Pärnu zurückzukehren.

Parek studierte an der Technischen Hochschule in Tallinn (Reval) Bauwesen. Nach dem Abschluss 1960 spezialisierte sie sich auf Glastechnologie. Sie arbeitete zunächst im Institut für Ländliches Bauen, später im Institut für Denkmalschutz in Tartu (Dorpat).

Ende der 70er Jahre schloss sie sich der estnischen Unabhängigkeitsbewegung an. Sie sammelte und veröffentlichte Informationen über Menschenrechtsverletzungen der sowjetischen Behörden, vervielfältigte und verbreitete Schriften des Samisdat. Außerdem unterhielt sie Kontakte zu in Moskau akkreditierten ausländischen Journalisten und informierte diese über die Situation in Estland. Darüber hinaus unterstützte sie Familien politischer Häftlinge.

Parek unterzeichnete Sammelappelle und offene Briefe zur Verteidigung von Tatjana Welikanowa, Gleb Jakunin und Antanas Terleckas im November 1977, von Mart-Olav Niklus am 27. Juni 1980 und das Glückwunschtelegramm an Lech Wałęsa am 11. November 1980, die Petition gegen den Einmarsch sowjetischer Truppen in Afghanistan vom 17. Januar 1980 und den Protest gegen die Verbannung von Andrei Sacharow am 3. Februar 1980. Außerdem unterschrieb sie eine Reihe von Aufrufen, die sich an die internationale Öffentlichkeit richteten: die Erklärung zur Verteidigung der Solidarność, den Appell an die Regierungschefs der UdSSR und der nordischen Ländern vom 10. Oktober 1981 und den Offenen Brief an die Bürger Finnlands vom 1. Oktober 1982. Im Frühjahr 1981 nahm sie am Begräbnis des im Gefängnis gestorbenen estnischen Wissenschaftlers und Menschenrechtsaktivisten Jüri Kukk teil.

Am 5. März 1983 wurde sie verhaftet. Vom 13. bis 16. Dezember 1983 fand der Prozess gegen Lagle Parek sowie gegen ihren Schwager Heiki Ahonen und gegen Arvo Pesti vor dem Obersten Gericht der Estnischen SSR statt. Außer Verbreitung des Samisdat wurde den Angeklagten vorgeworfen, dass sie Kontakte zur estnischen Emigrantenorganisation „Hilfszentrum für Estnische Politische Gefangene“ in Stockholm unterhalten hätten. Sie alle bekannten sich nicht schuldig. Parek wurde nach Artikel 68, Paragraf 1 Strafgesetzbuch der ESSR (siehe Artikel 70 Strafgesetzbuch der RSFSR) zu sechs Jahren Arbeitslager und drei Jahren Verbannung verurteilt. Ihre Strafe verbüßte sie in der Frauenabteilung der mordwinischen Lager. Dort beteiligte sie sich an Protestaktionen der politischen Häftlinge.

Am 30. Januar 1987 wurde sie im Zuge der sogenannten „Gorbatschow-Amnestie“ freigelassen. Nach ihrer Rückkehr nach Estland lebte sie in Tartu. Sie war Gründungsmitglied der Gruppe zur Bekanntmachung des Hitler-Stalin-Paktes in der Öffentlichkeit und gehörte zu den Organisatoren der Kundgebung im Hirve-Park am 23. August 1987. Der KGB machte im Dezember 1987 einen vergeblichen Versuch, sie zur Emigration zu bewegen. Im Januar 1988 gründete sie zusammen mit anderen die „Estnische Nationale Partei der Unabhängigkeit“. In dieser Zeit trat sie bei zahlreichen patriotischen Demonstrationen als Rednerin auf, weshalb sie immer wieder durch den KGB festgenommen wurde. Von 1989 bis 1993 war sie Vorsitzende ihrer Partei.

Parek wurde in den Kongress Estlands abgeordnet und war 1990–92 Mitglied des Estnischen Komitees. Nach der Unabhängigkeit Estlands kandidierte sie 1992 erfolglos für das Amt des Staatspräsidenten, war 1992–93 jedoch Innenministerin. 1994 zog sie sich aus der Politik zurück. Am 23. Februar 1996 erhielt sie für ihren Einsatz zur Wiederentstehung Estlands den Orden des Staatswappens II. Klasse.

Heute lebt Parek in einem Kloster in einem Vorort von Tallinn. Sie ist geschäftsführende Direktorin der estnischen „Caritas“ und Vorstandsmitglied der Kistler-Ritso-Stiftung (Kistler-Ritso Eesti Sihtasutus).

Viktor Niitsoo
Aus dem Polnischen von Beata Kosmala
Letzte Aktualisierung: 07/15