Die unabhängige Friedensbewegung in der DDR reagierte auf zwei politische Entwicklungen: zum einen auf das Wettrüsten der Supermächte und zum anderen auf die fortschreitende Militarisierung der DDR-Gesellschaft. In der Schule zum Beispiel wurde 1978 das Pflichtfach Wehrkunde eingeführt. Als 1982 ein neues Wehrdienstgesetz verabschiedet wurde, das unter anderem vorsah, dass auch Frauen mobilisiert werden könnten, verfasste Poppe zusammen mit anderen Frauen eine Eingabe, in der sie sich gegen dieses Gesetz aussprach, und sammelte Unterschriften. Aus dieser Initiative heraus entwickelte sich 1982 die Gruppe „Frauen für den Frieden“, die bis zur Friedlichen Revolution eine der wichtigsten Oppositionsgruppen außerhalb der Kirchen war. Die Frauen engagierten sich gegen die Militarisierung der Gesellschaft, für blockübergreifende Abrüstung sowie für Demokratie und Menschenrechte in der DDR.

Am 12. Dezember 1983 wurde Poppe gemeinsam mit Bärbel Bohley wegen des Verdachts auf „landesverräterische Nachrichtenübermittlung“ (§ 99 StGB) vom Ministerium für Staatssicherheit (MfS) verhaftet. Inner- und außerhalb der DDR erhob sich gegen diese Verhaftung Protest. Es entwickelte sich eine breite Solidaritätswelle. Nach sechs Wochen musste das MfS die beiden Protagonistinnen der „Frauen für den Frieden“ wieder freilassen.

Ulrike Poppe wurde vom MfS seit 1976 gemeinsam mit ihrem Mann im Operativen Vorgang (OV) „Zirkel“ verfolgt und beobachtet. Dieser OV zählt zu den umfangreichsten, die der Staatssicherheitsdienst angelegt hatte. Ulrike Poppe war von langjährigen Zersetzungsmaßnahmen, häufigen Zuführungen und Ordnungsstrafen betroffen. Das MfS zählte sie zum kleinen harten Kern unversöhnlicher Feinde des SED-Systems.

Gemeinsam mit Gerd Poppe, Wolfgang Templin, Bärbel Bohley, Reinhard Weißhuhn, Peter Grimm, Ralf Hirsch, Werner Fischer, Antje und Martin Böttger und anderen zählte sie Ende 1985/Anfang1986 zu den Mitbegründern der wichtigsten Oppositionsgruppe der 80er Jahre, der Initiative Frieden und Menschenrechte (IFM). Diese Gruppe trat entschieden für Demokratie, Freiheit, Menschenrechte und Rechtsstaatlichkeit ein und befand sich darüber hinaus in einem ständigen Dialog mit der osteuropäischen Opposition sowie mit Nichtregierungsorganisationen, Politikern und Journalisten aus dem Westen. Im Gegensatz zu einem Teil der IFM-Mitglieder führte Ulrike Poppe zahlreiche Gespräche und Diskussionen mit SED-Mitgliedern und Funktionären. Sie wollte ihre eigenen Vorstellungen und Ideen in die Gesellschaft transportiert wissen. Gleichzeitig äußerte sie sich im Samisdat und unterzeichnete eine Fülle von Aufrufen, offenen Briefen und Erklärungen der Opposition.

1987 wurde Poppe zur Berlin-Brandenburgischen Regionalvertreterin im Fortsetzungsausschuss „Frieden konkret“ gewählt, einem DDR-weiten Netzwerk der oppositionellen Gruppen und kirchlichen Basisgruppen. Ab 1987 war sie auch im Arbeitskreis „Absage an Praxis und Prinzip der Abgrenzung“ bei der Bartholomäus-Gemeinde in Berlin aktiv. Hier diskutierten unter anderen Hans-Jürgen Fischbeck, Stephan Bickhardt, Konrad Weiß und Wolfgang Ullmann. Aus dieser Initiative entwickelte sich 1989 die Bürgerbewegung Demokratie Jetzt (DJ), zu deren Erstunterzeichnern des Gründungsaufrufes im September 1989 Ulrike Poppe gehörte. Demokratie Jetzt gehörte 1989 zu den Motoren der Friedlichen Revolution. In dieser Zeit war Poppe Mitglied des Sprecherrates und saß zusammen mit Wolfgang Ullmann am Zentralen Runden Tisch, der von Dezember 1989 bis März 1990 tagte. Anschließend war sie Mitarbeiterin der Volkskammerfraktion Bündnis 90/Die Grünen.

Nach der deutschen Einheit arbeitete Poppe ab 1991 als Studienleiterin bei der Evangelischen Akademie Berlin-Brandenburg. Hier organisierte sie Veranstaltungen zu Themen der Zeitgeschichte und Politik. Ihr politisches Engagement wollte Poppe nie zum Beruf machen. In vielfältigen Formen ist sie in den öffentlichen Debatten präsent, wobei ihr Engagement insbesondere um die Aufarbeitung der kommunistischen Diktaturen, um diesbezügliche internationale Vernetzung und die Einhaltung und Achtung der Menschenrechte hervorzuheben ist. 2009–2017 war sie Brandenburger Landesbeauftragte zur Aufarbeitung der Folgen der kommunistischen Diktatur (LAkD) und setzte hier um, was ihr schon während ihres Engagements in der Opposition wichtig war: Verständigung über Parteigrenzen und ideologische Grenzen hinweg suchen, Standpunkte und Meinungen diskursiv austauschen. Im Gegensatz zu früher muss sie heute keine Angst haben, drangsaliert, verhaftet oder aus dem Land verwiesen zu werden. Insofern sind ihr jahrelanger Mut belohnt und ihre jahrelangen Hoffnungen – wenigstens teilweise – erfüllt worden.

Ilko-Sascha Kowalczuk
Letzte Aktualisierung: 10/17